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Ein Sommer segeln, jetzt als Co-Skipperin

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Hi, mein Name ist Helena, ich bin 27 Jahre alt und ich habe im Jahr 2023 mit Felix die Sommertörns der
Segelrebellen ehrenamtlich geskippert, betreut und auf dem Instagram-Kanal fotografisch begleitet.

Jetzt folgt eine lange Geschichte, die knapp vier Monate beschreibt. Eine Geschichte ohne Schnick Schnack und viele Bilder, denn die Bilder entstehen im Kopf und Helenas Worte berühren dein Herz:


Ich selbst bekam Anfang 2017 die Diagnose Morbus Hodgkin Lymphom. Nach vier Chemozyklen, einer konsolidierenden Radiotherapie und einer anschließenden Jungen-Erwachsenen-Reha in der Klinik Bad Oexen war meine Therapie abgeschlossen. Jetzt bin ich schon seit mehr als 5 Jahren befundfrei. Damals bin ich durch die deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs auf die Segelrebellen aufmerksam geworden und habe mich bereits während meiner Therapie beworben. Und so durfte ich im Juni 2018
das erste Mal bei einem Törn von Kopenhagen bis nach Kiel (inklusiver Aalregatta bei der Kieler Woche) als Teilnehmerin mitsegeln. Ich hatte noch überhaupt keine Segelerfahrung und wusste nicht einmal, ob ich seetauglich bin. Und zusätzlich war es meine erste Reise nach der Erkrankung, nach einer Phase der Schonung, der Abschottung wegen eines geschwächten Immunsystems und des Nichtstuns. Ich war in abenteuerlicher Aufbruchstimmung und wollte endlich wieder etwas erleben und gleichzeitig
hatte ich ein bisschen Angst, ob ich dem körperlich überhaupt schon gewachsen bin.

Aber wie Marc zu sagen pflegt: „Wenn man die Komfortzone verlässt, da fängt das wahre Leben an.“
Und er hatte recht.

Es hat mich wahnsinnig bereichert, das Segeln, die Freiheit, das Mitanpacken, das bis an die Grenzen gehen und die tollen Gespräche mit gleichaltrigen Betroffenen. So gut, dass ich mich direkt ein Jahr später nochmal beworben hatte. Mit neuer Frisur (die Chemolocken haben sich zwischenzeitlich „ausgelockt“) ging es im Juli 2019 nochmal los, diesmal von Glücksstadt bis nach Southampton. Auf diesem Törn habe ich Felix kennengelernt, der für diesen Törn Co-Skipper war. Wir sind danach in Kontakt geblieben. Als ich von ihm erfahren habe, dass er die Sommertörns dieses Jahr skippern wird und auch noch Co-Skipperinnen gesucht werden, erwachte meine Sehnsucht nach dem Segeln wieder. Und da ich zu dem Zeitpunkt in einem beruflichen Umbruch war, schrieb ich daraufhin Marc an. Und nach dem Telefonat mit ihm stand fest, dass ich die neue Co- Skipperin für die nächsten drei Monate sein werde. Um mein Wissen aufzufrischen und mehr Sicherheit zu bekommen, machte ich noch die Sportbootführerscheine See und Binnen. Und so saß ich Anfang Juni im Zug nach Flensburg zum Heimathafen der Magic und wurde von meinem neuen Schiffs-WG-Partner Felix herzlich in Empfang genommen. Und ich machte Bekanntschaft mit unserem Hafenfreund Reinhard (Dipl. Ing. für Seeverkehr), der uns während der gesamten Sommertörns bei Marine-Traffic begleitet hat und wie ein „Telefon-Joker“ durch seine langjährige Seebär-Erfahrung mit Tipps zu perfekten Anker- und Hafenspots zur Seite stand.

Nach ein paar Arbeiten am Schiff, Besorgungen und Einkäufen, ging es dann ein paar Tage später auch schon mit dem ersten Törn los.
Es war zu Beginn noch etwas kuschelig, weil die fünfköpfige Crew zusätzlich von einem Filmteam vom NDR und Marc bis nach Sonderburg begleitet wurde. Es wurde ein Beitrag für DAS! gedreht, welcher in der ARD-Mediathek zu finden ist. Ich glaube, dass es für uns alle sehr aufregend war: Der erste gemeinsame Segeltag und dann noch Begleitung vom Fernsehen. Sowas erlebt man wirklich nicht alle Tage. Besonders spannend fand ich die einzelnen Interviews mit den Crew-Mitgliedern und ihren öffentlichen Umgang mit ihrer persönlichen Krebs-Geschichte. Es war sozusagen unsere erste Vorstellungsrunde. Der erste Törn war wirklich perfekt um für mich als Co-Skipperin wieder in das Segeln reinzukommen und die Magic (unser Schiff) wieder kennenzulernen. Das Wetter war top und die Teilnehmerinnen waren zwar größtenteils segelunerfahren, aber super lernwillig und motiviert. Anscheinend war ich nicht die Einzige, die so empfunden hat, denn drei von ihnen sind bei späteren Törns zu Wiederholungstäterinnen geworden. Für Felix und mich war es eine tolle Bestätigung, dass wir gute Arbeit leisten und es den Teilnehmerinnen gefallen hat. Aber wie kann man auch nein sagen, bei traumhaften Ankernächten, Lagerfeuern, Wildpferden (Insel Langeland), Angelerfolgen (Hornhecht-Felix) und Begleitung von Schweinswal-Schulen?

Dann folgte auch bald die zweite Etappe
In Kopenhagen hatten Felix und ich dann noch etwas freie Zeit bis zum nächsten Törn. Es fielen dabei auch ein paar Besorgungen, wie neuen Bootshaken kaufen (unserer hatte kein Haken mehr), Wäsche waschen und Instandhaltungsarbeiten am Boot, wie Hydrauliköl nachfüllen, an. Außerdem haben wir uns natürlich auch die Stadt angesehen. Das Schiff lag sehr zentral und ruhig am Ofelia-Plads mit schönem Hafenbecken und Sanitäranlagen direkt am Steg. Zufälligerweise lagen wir mit der Magic sogar in der Front Row für das in Dänemark gefeierte Sankt-Hans-Fest (Midsummer) und den traditionellen Lagerfeuern. Nach ein paar Tagen trudelten dann die nächsten Teilnehmerinnen für den zweiten Törn ein. Mit einer kleineren Crew mit nur insgesamt drei Teilnehmerinnen ging es dann los Richtung Schweden. Die ersten Segeltage verliefen wieder reibungslos. Doch bei diesem Törn hatten wir nicht so Glück mit dem Wetter. Aufgrund von Sturmwarnungen und damit einhergehenden hohen Wellen mussten wir einige Hafentage einlegen. Zwangspausen sozusagen. Unser erster sicherer Hafen war der Hafen von der kleinen gemütlichen Stadt Torekov. Die Stimmung in der Crew war zunächst etwas gedrückt, weil wir natürlich lieber segeln wollten. Aber nachdem wir sogar innerhalb des Hafens teilweise Windstärken von über 50 Knoten messen konnten, kam uns der Aufenthalt in Torekov wie ein gerade sehr passender Entschleunigungsurlaub vor. Torekov ist im Übrigen die Stadt der Bademäntel: Die Einheimischen gehen morgens im Bademantel zum Bäcker, Zeitung holen oder eine Runde Baden im Meer. Wir haben uns ein bisschen an den Lebensstil angepasst und haben gut gegessen, lange ausgeschlafen, Filmabende und Yoga gemacht. Wir waren sogar bei Sturm im Meer schwimmen, was verrückt war. Die hohen Wellen mit ihrer Kraft und Kälte am ganzen Körper zu spüren war ein einmaliges Erlebnis. Nach vier entspannten Hafentagen in Torekov segelten wir dann endlich weiter bis zur Insel Anholt (Dänemark). Das Wetter inklusive Sturm hatte sich zwar wieder beruhigt, aber die Wellenhöhe mit über drei Metern war für manche Crewmitglieder trotzdem nicht so angenehm. Es wurden zum ersten Mal auch Eimer gefüllt. Also legten wir auch in Anholt noch einen Hafentag ein und warteten auf bessere Wind- und Wellenbedingungen. Die Insel war gut besucht. Laut einem Freund, der uns auch auf Marine Traffic belgeitet hat, sah es im Hafen nach „Gruppenkuscheln“ aus, weil einige andere Seglerinnen ebenfalls Schutz gesucht hatten im Hafen von Anholt. Ein Glück, dass wir bei diesem Törn nicht so viele Seemeilen zurücklegen mussten. So erreichten wir trotz insgesamt fünf Hafentagen unser Ziel Göteborg planmäßig.

Von Göteborg dann der große Sprung nach Bergen
Auch hier hatten Felix und ich ein paar Tage Zeit zum kurzen Verschnaufen und kleineren Instandhaltungsarbeiten am Schiff. Meine persönlichen Highlights in Göteburg waren die Fika (schwedische Tradition bei der man sich Zeit nimmt für eine Kaffeepause in guter Gesellschaft) im Café Husaren, Home of Hagabullen, mit den größten Zimtschnecken Schwedens und die hafeneigene Sauna im Hafen Langedrag. Und dann stand schon der dritte Törn Richtung Bergen an. Unsere neue Crew bestand aus acht Teilnehmerinnen, die wie Felix und ich wahrscheinlich nicht so ganz wussten, worauf sie sich eingelassen und für welche Törn-Etappe sie sich entschieden haben. Felix und ich wussten schon zu Beginn, dass es unsere längste Etappe sein wird und deshalb ging es direkt nach Ankunft der letzten Teilnehmerin und der Schiffs- und Sicherheitseinweisung los. Ziel war es einen netten Ankerspot im Schärengarten vor Göteborg zu finden und eine kleine Kennlern-Segeletappe zu absolvieren, damit alle gut reinkommen. Nach ein paar Seemeilen dann ein technischer Defekt: Der Hydraulikschlauch des Baumniederholers platzte und flutete das gesamte Vordeck mit Hydrauliköl. Sofort war uns klar, dass wir so nicht nach Bergen kommen. Also kehrten wir wieder in unseren vertrauten Hafen in Göteborg zurück und Felix kümmerte sich dank eines 24/7-Reparaturservices darum, dass der Schaden am nächsten Morgen behoben werden konnte. Mit reparierten Hydraulikschlauch ging es dann auch
sofort los. Diesmal segelten wir direkt rüber nach Skagen, um am nächsten Tag die „große Überfahrt“ nach Norwegen zu schaffen. Nach 90 Seemeilen und 16 Stunden Fahrt sind wir dann auch völlig erschöpft
angekommen. Teilweise wurde auch tapfer gegen die Seekrankheit gekämpft. Auch bei diesem Törn
entschieden wir uns wegen zu starker Windstärke und zu hohen Wellen einen Ankertag einzulegen, was mich ehrlicherweise etwas unruhig gestimmt hat, weil ich wusste, wie viel Strecke noch vor uns lag. Wir machten das Beste daraus und es wurde zu einem Spieleabend unter Deck. Die restlichen Segeltage waren wahnsinnig anstrengend und segelintensiv. Bei diesem Törn gab es fast keine Minute, wo wir nicht aus Sicherheitsgründen alle brav mit unseren Lifebelts am Schiff eingehakt waren. Das beschreibt wie ich finde ganz gut, wie viel Bewegung und Krängung im Schiff war. Wir hatten konstant Gegenwind und mussten ständig kreuzen, was uns sehr viel Zeit und Kraft geraubt hat. Die Wellenhöhe von durchschnittlich drei Metern machten der Crew zusätzlich zu schaffen. Es wurden Eimer geteilt und abwechselnd gefüllt. Ich muss an dieser Stelle sagen, dass ich es geliebt habe! Ich war in meinem Element bei schlechtem Wetter, wenn das Wasser seitlich und von oben kam und man das nächste Wellental noch nicht mal gesehen hat, weil die Wellen so groß waren. Aber ich habe natürlich auch mit unseren Seekranken-Crewmitgliedern mitgelitten und so gut es ging geholfen und unterstützt, wo es eben ging. Ich habe Kotzeimer entleert während ich am Steuer stand und einfach jeglichen Ekel verloren, den man zwischenmenschlich haben kann. Die konstante Nässe ist natürlich auch irgendwann ermüdend, wenn es keine Phasen der Trocknung gibt. Wir haben fast jeden Abend die Standheizung des Schiffes angemacht und unser Schiff in eine kleine dampfende Sauna verwandelt, um unserer Segelkleidung zumindest die Chance zu geben trocken zu werden. Die letzte Etappe wurde dann im Schichtsystem gemeistert. Das bedeutet, dass Felix und ich uns die Crew aufgeteilt haben und dann jeweils im sechs Stunden Schichten gearbeitet haben. Dadurch konnten wir auch eine Nachtfahrt machen. Der Wind war leider zu schwach zum Segeln und wir sind dann die letzte Etappe zwischen den Inseln und Fjorden motort. Es war irgendwie beruhigend nach einer extremen Segelphase mit stürmischer See zwischen Fjorden mit spiegelglattem Wasser anzukommen und so nah wieder Land zu sehen und die norwegische Natur bestaunen zu können. Man konnte es praktisch riechen. Ich habe die besten Schichten erwischt und durfte Sonnenuntergang und Sonnenaufgang bewundern. Wir sind in dem Abschnitt auch unter einigen Brücken durchgesegelt, was auch jedes Mal für Nervenkitzel sorgte, weil man immer das Gefühl hat, dass der Mast gleich an der Brückenunterseite entlangkratzt. Aber natürlich haben wir immer vorher die Höhen recherchiert und es passte immer. Kurz vor Bergen wurden wir erstmal von einigen monströsen Kreuzfahrtschiffen in Empfang genommen. Und als dann die Stadt in Sichtweite war, fiel plötzlich die ganze Anspannung ab. Ich habe es auch Felix angesehen. Völlig übermüdet und körperlich erschöpft haben wir dann im City Hafen in Bergen angelegt. Ich bin immer noch sehr stolz auf die Crew und auf mich selbst, dass wir das geschafft haben. Dieser Törn mit insgesamt 557 Seemeilen hat am Ende unseres Sommers mehr als ein Viertel unserer Gesamtseemeilenstrecke ausgemacht. Jetzt hieß es für Felix und mich erstmal runterkommen und entspannen. In Bergen haben wir knapp drei Wochen Urlaub gehabt. Ich hatte in der Zeit auch Geburtstag und meine Eltern sind für ein paar Tage zu Besuch hochgekommen. Felix hat sich währenddessen ein E-Auto ausgeliehen und erkundete Norwegens Fjorde by car. Ich habe dann später die Bergenbahn genutzt um ins Landesinnere zu reisen und war mit Zelt und co in der Natur unterwegs. Es war wirklich schön mal etwas Auszeit zu haben und nach so intensiven Wochen etwas alleine zu wandern. Später als Felix und ich wieder zum Schiff zurückgekehrt sind, haben wir uns in einem schwachen Moment auch mal gefragt, warum wir das eigentlich machen und uns scherzhaft gefragt, was eigentlich passieren würde, wenn wir einen Flug zurückbuchen nach Deutschland. Wir meinten das natürlich nicht ernst, aber wir hatten etwas Bedenken, ob der Törn zurück nach Göteborg ähnlich werden wird. Wir brauchten diese knapp drei Wochen Urlaub auf jeden Fall auch für uns selbst und körperlich wieder aufzutanken. Und obwohl wir diesen Törn zwischenzeitlich auch mal verteufelt haben, es
eine Achterbahn der Emotionen war (schon seit dem ersten Törntag) und einfach nur verdammt anstrengend war, kann ich rückblickend sagen, dass ich bei dieser Etappe am meisten für mich mitgenommen habe. Ich würde diesen Törn nicht missen wollen.

Kurze Auszeit und zurück auf’s Meer
Nach der verdienten Auszeit ging dann auch langsam wieder der Segelalltag los und die ersten Crew-Mitglieder kamen an. Bei dem Törn waren wir zum ersten Mal komplett ausgebucht und waren zu zehnt auf dem Schiff. Das bedeutete, dass auch die „Sofas“ im Salon als Betten dienten. Das war kuschelig und auf eine andere Art herausfordernd, weil kaum mehr Rückzugsorte geschaffen werden konnten. Privatsphäre gab es keine mehr. Zusätzlich hatten wir bei diesem Törn die Besonderheit, dass zwei geheingeschränkte Teilnehmerinnen mit dabei waren. Ich hatte zunächst sehr voreingenommen bedenken, wie das werden wird. Zumal ich ja auch wusste, wie es mir selbst bei dem dritten Törn ergangen war. Aber die Zweifel waren unbegründet. Die große Crew war wahnsinnig unterstützend, empathisch und kommunikativ. Jeder hat auf jeden geachtet und man hat sich wirklich gut ergänzt. Das war wirklich schön mit anzusehen, wie liebevoll miteinander umgegangen wurde. Und auch die Einschränkungen der Teilnehmerinnen waren sehr individuell. Ich fand es sehr inspirierend zu sehen, dass man trotz Einschränkung alles machen kann und manchmal halt nur anders als Ziel kommt. Zudem waren die Segelbedingungen auf dem Rückweg deutlich angenehmer. Wir haben bei diesem Törn auch wieder eine Nachtfahrt im Schichtsystem gemacht und hatten wirklich eine unglaubliche Nacht. Die Nacht war klar und wir konnten dank fehlender Lichtverschmutzung vom Land die Milchstraße und einige Sternschnuppen sehen, dann hat uns noch eine Delfinschule begleitet und als wäre das nicht genug durften wir noch Meeresleuchten bestaunen. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, glaube ich selbst nicht mehr so ganz, dass wir das erlebt haben. Vielleicht war es auch einfach ein Traum, den wir alle gleichzeitig geträumt haben? Kurz vor Göteborg sind wir dann noch an einer Robben-Insel (geruchsintensiv!) vorbeigesegelt und haben eine Nacht im Schärengarten geankert. Das war ein toller Abschluss für diesen Törn und am nächsten Tag ging es dann in unseren Lieblingshafen mit hafeneigener Sauna. In Göteborg hatten wir dann wieder ein paar Verschnauftage, wo uns Felix Familie mit Bruder, Schwägerin und Nichte besucht haben und wir hatten eine entspannte Zeit zusammen. Und langsam wurde auch für mich das Gefühl stärker, dass wir wieder Richtung Flensburg segeln und sich unser
Sommer auf dem Wasser dem Ende zuneigt.

Die vorletzte Etappe wird von Wehmut begleitet
Die fünfte Crew bestand aus vier Teilnehmerinnen. Von Segelneulingen bis hin zu einer Teilnehmerin, die bereits mit einem Katamaran den Atlantik überquert hat, waren wieder alle Arten von Seglerinnen vertreten. Wir waren mittlerweile tiefenentspannt und wussten, dass die nächsten Törns seglerisch nicht mehr so anspruchsvoll werden würden. Und so war es auch. Durch ideale Wetterbedingungen haben wir zwischenzeitlich auch Boje-über-Bord-Manöver gesegelt und im Hafen von Anholt haben wir Anlege- und Ablege-Manöver intensiviert. Auf Anholt haben wir übrigens wieder einen Hafentag eingelegt, wo wir uns Fahrräder ausgeliehen haben und die Insel by bike erkundet haben. Es gab auch wieder traumhafte Ankernächte mit sternenklarem Himmel und morgendlichen Schwimmrunden um die Magic herum. Einziges Lowlight des Törns war leider, dass trotz milder Bedingungen unser Schothorn plötzlich gerissen ist, sodass das Großsegel unkontrolliert durch die Gegend flatterte. Aber die Crew hat super ruhig und routiniert reagiert. Es wurde in den ersten Reffhaken eingerefft und mit der Reffleine und zusätzlichen Leinen das Großsegel am Baum befestigt. So konnten wir leider nur noch eingerefft weitersegeln. Aber das machte der Geschwindigkeit keinen Abbruch und wir sind auch bei diesem Törn rechtzeitig in unseren Zielhafen Aarhus eingelaufen.

Auf der Zielgeraden, zurück nach Flensburg
In Aarhus angekommen war klar, dass der nächste Törn der letzte für Felix und mich für diesen Sommer sein würde. Ich war etwas wehmütig und versuchte die letzten Tage doppelt und dreifach zu genießen. Die nächste Crew bestand aus einem Wiederholungstäter vom ersten Törn und zwei Neulingen. Es war der Törn der „letzten Male“: Letztes Mal Segel hissen, letztes Mal ankern, letztes Mal steuern, letztes Mal Vorsegel dicht holen. Wir haben uns es nochmal richtig gut gehen lassen und waren bei wunderschönen Ankerspots und haben mehrmals Lagerfeuer an Stränden und Grillpartys gemacht. Und das Wetter hat uns zum Abschluss nochmal super schöne Sonnentage geschenkt, die wir für ausgiebige Schwimmrunden im Meer genutzt haben. Kurz vor Sonderburg hat uns dann Marc mit seiner neuen Mini-Magic an unserem Ankerspot besucht. Am nächsten Tag ging es dann als kleine Magic-Flotte, oder sollte ich lieber Magic-Regatta sagen, nach Sonderburg. Wir haben es uns nicht nehmen lassen, trotz zwangs-gerefftem Großsegel nochmal das Code-Zero Segel zu hissen und waren deshalb sehr schnell unterwegs. In Sonderburg hat uns dann ein kleines Filmteam in Empfang genommen. Es wurde ein Imagefilm gedreht, weil die Segelrebellen für den „Shine a light“-Award von Yes!Wecan.cer nominiert worden sind. Es wurden kleine Segelszenarien nachgestellt, Marc wurde interviewt und es gab ein Abschiedsfoto und ein Eis als Belohnung. Marc hat uns dann wieder verlassen mit seiner Mini-Magic und wir sind für den allerletzten
Abend nochmal zu einem schönen Ankerspot vor den Ochseninseln gesegelt. Am nächsten Morgen war dann klar, jetzt geht’s zurück in den Heimathafen. In Flensburg wurden wir von einem ehemaligen Teilnehmer mit Sekt und Flensburger Bier in Empfang genommen. Es war ein ganz komisches und emotionales Gefühl wieder anzukommen. Es wurde ein allerletztes Mal das Schiff geputzt und noch bei einem abschließenden Fischbrötchen gemeinsam gegessen. Und dann war der letzte Törn für diesen Sommer vorbei, nach 3 Monaten auf dem Wasser, 1936 Seemeilen und 4 Ländern.


Wieder zuhause, realisiere ich jetzt erst, was Felix und ich über die Zeit alles erlebt haben und lebe in Gedanken wahrscheinlich noch eine ganze Weile in den Erinnerungen. Ich bin dankbar, dass mir das Vertrauen von Felix und Marc entgegengebracht wurde als Co-Skipperin für die Sommertörns zu arbeiten. Besonders dankbar bin ich für die gute Zusammenarbeit und das harmonische Zusammenleben mit Felix. Auch in schwierigen Situationen bei beispielsweise technischen Defiziten am Schiff (Platzen des Hydraulikschlauchs, Ausreißen des Schothorns) oder beim Ausfall von einigen Crewmitgliedern wegen Seekrankheit haben wir funktioniert und einander vertraut. Uns wurde auch von Teilnehmerinnen gespiegelt, dass sie sich jederzeit sicher gefühlt haben. Das ist natürlich super wichtig und hat mich sehr gefreut zu hören. Aufgaben wie bei voller Fahrt das Achterliek des Vorsegels nachtrimmen, auf den 23 Meter hohen Mast klettern um die Vorsegel-Persenning zu entwirren oder auch Navigationsübernahme bei Nachtfahrten waren voll mein Ding. Aber ganz besonders Spaß hatte ich, wenn man Crew-Mitgliedern Dinge beibringt, ihnen die Tricks und Kniffe zeigt, die man sich mittlerweile selbst angeeignet hat und sie mit strahlenden Gesichtern verstehen, das kann ich auch. In manchen Situationen habe ich den Teilnehmerinnen ganz bewusst keine Hilfe angeboten, damit sie erstmal selbst an ihre Grenzen stoßen und es hat verdammt gut getan zu beobachten, dass die gedachten Grenzen noch lange nicht erreicht sind. Vor allem weibliche Crew-Mitglieder waren immer so viel stärker, als sie sich selbst eingeschätzt haben und es hat mir so viel Freude bereitet sie dabei zu begleiten und zu motivieren. Frei nach Rosalin Kuipers (ehemalige Co-Skipperin vom Team Malizia beim Ocean Race) Mantra: „Ich habe die gleiche Größe und das gleiche Gewicht. Und ich bin vielleicht sogar stärker als manch männlicher Segler.“ Mir war es wichtig, dass jeder alle Aufgaben beim Segeln einmal ausprobiert hat und ihnen zu zeigen, dass sie es genauso gut oder besser können. Aber natürlich waren wir immer da, wenn Unterstützung notwendig war. Vor allem bei dem Törn zwischen Göteborg und Bergen gab es dann auch Situationen bei denen ich an meine eigenen Grenzen überschreiten musste und ich mich manchmal gefragt habe, was ich hier eigentlich mache. Man muss schon ein bisschen verrückt sein diesen Törn zu machen, vor allem wenn man wie manch Teilnehmerin gerade erst aus einer Krebstherapie herauskommt. Ich durfte mit insgesamt 26 unterschiedlichen, wundervollen, jungen, lustigen, fröhlichen Segelrebellinnen zusammen auf einem Schiff leben, die alle nicht nur auf dem Wasser, eine oft stürmische See überwinden mussten um sich kennenzulernen. Das Erlebte und die Menschen werden mich nachhaltig beschäftigen und positiv beeinflussen. Zu wissen, was ich körperlich schaffen kann und was ich dadurch anderen Menschen mit ähnlicher Geschichte hoffentlich auf dem Weg geben kann, macht mich stolz.
Würde ich es wieder tun?
„Schaun wir mal was wird.“
„…was wird.“ 😉

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