ACC – Erste Etappe geschafft
Start mit Hindernissen
Zeitweise scheint es fast so, als ob dieser Törn schon in der Vorbereitung die größte Herausforderung werden würde. Seit unserer Ankunft in Glückstadt am 26.06. hat jedes gelöste Problem auch gleich wieder ein anderes Problem zum Vorschein gebracht. Angefangen mit einem defekten Propeller und verbogener Welle durch eine Fischerleine, die wir uns letztes Jahr vor Skagen eingefangen haben, über das zähe Streichen des Unterwasserschiffs mit Antifouling und dem sehr kniffligen Einbau und Installation unseres neuen Katadyn Power Survivor 40e. Ein Entsalzer an Bord zu haben ist wirklich clever, aber wie es schon so schön in der Einbauanleitung stand: Die Installation ist für Sie und ihren Monteur eine ganz besondere Herausforderung. Und natürlich war unser Schiff nie für solch ein Gerät geplant. Dennoch hat er ein kuscheliges Plätzchen im „Spülschrank“ gefunden, zu allen Seiten max. 2cm Platz und die Leitungen sind ebenfalls höchst artistisch verlegt. Zudem haben wir von Liros einige neue Leinen und Schoten bekommen, die wir dankend gegen die alten und steifen Schoten getauscht haben.
Alles in allem wird unser Schiff von Tag zu Tag besser und besser, es kostet allerdings sehr viel Zeit und Ehrgeiz, das alles umzusetzen. Insofern danken wir allen Spendern und Unterstützern, dass sie die finanzielle Basis dafür geschaffen haben, und wir nun mit unserer Arbeitskraft das Puzzle zusammensetzen.
Und dann gehts einfach los
Das Schiff stand noch an Land, der Propeller kam pünktlich um 10:00 Uhr per Kurier und das Team der Yachtwerft Glückstadt hat die Mittagspause Mittagspause sein lassen, damit wir noch rechtzeitig durch die Schleuse in den Außenhafen kommen – sonst hätten wir noch einen Tag warten müssen, und wir waren ja schon gute 7 Tage zu spät dran. Kaum schwamm das Schiff wieder im Wasser, mussten wir so schnell wie möglich durch das Sperrwerk, das in spätestens 10min schließt – erst am nächsten Tag könnten wir dann wieder raus auf die Elbe. Das Backstag war gerade wieder fest, Motor an und raus aus der Box. Selten geht solch ein schnelles Manöver gut, dieses mal hat es geklappt und wir konnten die restlichen Vorbereitungen im Vorhafen erledigen.
Summa summarum war keine Zeit zu schlafen. Seit 8:00 morgens waren wir wach und das sollte sich auch bis zum nächsten Abend nicht großartig ändern, zu aufgeregt und noch zu viele Dinge zu erledigen, als an Schlaf zu denken. Um 02:00 Uhr Nachts ging es dann raus auf die Elbe und mit dem Strom nach Helgoland. Mittags dann Ankunft im Hafen und „ausschlafen“.
Nur Wasser um uns herum
Nach ein paar Stunden erholsamen Schlaf wollen wir am nächsten Tag gegen Mittag die Etappe nach Edinburgh in Angriff nehmen. Mindestens 400nm liegen vor uns, das Wetterrouting von PredictWind sagt voraus, dass wir etwa 3 Tage dafür benötigen.
Unterwegs zeigt sich dann leider, dass die neue Genua auf Am-Wind-Kursen nicht/noch nicht richtig steht, und als kleine Crew, zu dritt aber nur zwei erfahrene Segler, können wir unterwegs die Segel nicht wechseln. Kurze Besprechung, dann machen wir einen Schlenker nach Nord-Osten und nehmen Sylt als Zwischenstopp. Einmal rein in den Hafen von List, Segel wechseln und 3 Stunden schlafen, dann gehts auch schon weiter, zurück auf Kurs nach Edinburgh.
Die Ausfahrt ist rau und die Wellen schlagen uns mit voller Wucht gegen den Bug. Eine so groß, dass das ganze Vordeck in der Gischt versinkt und das Wasser wild am Cockpit vorbeigurgelt. Nach etwa einer Stunde sind wir raus aus dem Fahrwasser und die Nordsee präsentiert sich von ihrer schönsten Seite: die Sonne geht auf und taucht das Meer und den Himmel in die schönsten Farbschattierungen. Auf nach Edinburgh!
Die Ernüchterung kommt aber schon einige Stunden später, als wir gegen Abend den Motor in der aufkommenden Flaute nutzen wollen. Der Motor will nicht starten, egal was wir auch probieren – nichtmal Fremdstarten mit den Servicebatterien oder der Notstromversorgung lassen den Diesel zum Leben erwecken – Problem unbekannt. Nun ja, immerhin haben wir Segel und können uns ja auch mal als echte Segler probieren, die nur mit Wind und Wellen spielen. Entsprechend der am Ende sehr genauen Windvorhersage, ist die Flaute auch nicht von Dauer und bald schon schneidet unser Bug mit bis zu 8 Knoten Fahrt durchs Wasser, dem Ziel entgegen.
Mit dem kleinen Schleppgenerator können wir den Ladezustand der Batterien erhalten, denn der quirlige Kerl produziert in etwa genau die Menge an Strom, die wir auch selbst verbrauchen. Wir lassen es uns gut gehen, mit leckerem Essen und ungewöhnlich viel Sonnenschein auf der Nordsee.
So wollten wir unser Ziel nicht erreichen
Und dann liegt Edinburgh fast zum greifen nahe. Noch etwa 5nm bis zur Isle of May, die die Einfahrt in den Firth of Forth markiert. Insgesamt nur noch 30nm bis Port Edgar, dem einzigen Hafen der ausreichend tief ist für unsere SY Magic. Aber dann dreht der Wind, von einem gemächlichen Vor-Wind-Kurs auf zunächst NULL Wind. Nach den 5 Tagen Überfahrt, kurz vor dem Ziel und ziemlich erschöpft, war das das letzte, was wir erwartet haben. Wie ein Schlag ins Gesicht, lässt uns der Wind im Stich und wir treiben achteraus wieder nach Süden.
Vielleicht hat der Wind gemerkt, dass das so nicht in Ordnung ist, und dreht plötzlich auf Nord, so dass wir am Wind wieder schnell Fahrt aufnehmen und bald auf Höhe der Isle of May sind. Der Wind dreht sogar zunehmend auf West, so dass wir mit der Drehung dem Ziel schnell näher kommen. Aber auch nur, bis dass er wieder einschläft, und wieder aufwacht, und wieder einschläft und wir zwischenzeitlich zwar die Insel umrundet haben, jetzt aber auf Legerwall liegen und wahllos im Wasser treiben.
Zeit die Coast Guard zu informieren, dass wir aktuell manövrierunfähig sind. Die nette Stimme der „Aberdeen Coast Guard“ will sich zu keiner Empfehlung „pro Schlepphilfe“ hinreißen lassen und empfiehlt stattdessen, stündliche Meldungen zu Position und Status. Auch der Seenotretter Anstruther wollte uns nicht in den Hafen schleppen, zu weit die Strecke und auch bald Wachwechsel, überhaupt, nicht der eigene Zuständigkeitsbereich.
Also kreuzen wir weiter auf, der Wind mittlerweile wieder mit 10kn aus West, genau von da, wo wir hinwollen. Jede Meile Richtung Port Edgar, wird mit etwa 4nm aufkreuzen erkämpft. Immerhin Sonnenschein und T-Shirt-Temperaturen. Als wir dann in der Abenddämmerung gegen 23 Uhr zwischen zwei Untiefen aufkreuzen, gegen den Strom und der Wind plötzlich wieder einschläft, reicht es. Wir haben genug getan, um selbst das Ziel zu erreichen. Wenn wir jetzt weiter an Fahrt verlieren, packt uns die Strömung und lässt uns entweder Backbord oder Steuerbord im Flachbereich stranden. Da ist keine Option. „Coast Guard Aberdeen, Coast Guard Aberdeen, Sail Yacht Magic calling“ […] wir brauchen jetzt definitiv Schlepphilfe, sind nahezu manövrierunfähig und es besteht die Gefahr des Auflaufens dicht neben dem Fahrwasser. Die Jungs der RNLI sind knapp 30min später längsseits und nehmen uns gerne in Schlepp. Wie wir später erfahren, haben sie uns den ganzen Abend am AIS beobachtet (eine Art Tracking von Schiffen) und sich gefragt, wie lange wir wohl noch durchhalten würden. Auch die Jungs von der Marina sind noch länger im Büro geblieben, um uns ebenfalls „online zu verfolgen“. Na toll, aber immerhin kann uns niemand schlechte Seemannschaft oder Faulheit vorwerfen. Um die Geschichte abzukürzen: Wegen des Niedrigwassers kamen wir Nachts auch nicht mehr in den Hafen, durften/mussten mit mittlerweile seeeehr schwachen Batterien vor der Einfahrt ankern und wurden dann am nächsten Morgen zum Liegeplatz geschleppt. 1A Service!
Die Geschichte vom Warten
Der Fehler am Motor war so winzig wie dramatisch wie blöd. Der Keilriemen der Lichtmaschine passte nicht richtig, so dass er mehr über die Rolle rutschte als sie anzutreiben, was widerum die Batterie nicht bis nur minimal geladen hat. Irgendwo fließt auch noch ein Strom, der der Starterbatterie zusätzlich zusetzt, so dass sie nach einigen Stunden im Standby einfach zu schwach war, um unseren 70 PS Yanmar Diesel zum Laufen bringen zu können. Ersatzteile etwa 50 €, Arbeitszeit der Werkstatt 5 Std und gute 300 €. Na immerhin kein richtig teurer Motorschaden, dennoch ein kleiner Stachel für unser Budget.
Zu allem Übel zeigten sich dann auch noch Fehler in den neuen Segeln, die vor der Weiterfahrt dringend behoben werden mussten. Die Segellatten und Lattenboxen waren unterdimensioniert, hatten bereits erste Verschleißerscheinungen gezeigt und würden die weitere Tour sicher nicht überstehen. Zum Glück gab es in Port Edgar den „Saildoctor“ die in Rekordzeit Ersatzteile von unserem Segeltuch-Sponsor Bainbridge organisiert haben – dennoch waren es 4 weitere Tage Wartezeit. Wartezeit die schmerzt, denn eigentlich sollten und wollten wir bereits auf den Färöer sein, geplante Ankunft spätestens 20.07. und jetzt ist schon der 21.07., Ingo und Melanie warten bereits seit 4 Tagen auf uns.
Zum Glück konnte Jonas seinen Flug noch umbuchen und segelt nun mit uns von Edinburgh nach Färöer, zu dritt eben einfacher als nur zu zweit mit unserem 51ft Schiff.
Die neuen Latten und Boxen sind pünktlich da und nachdem Nicky von „Saildoctor“ mit Jonas alles ans Segel angebaut hat, können wir exakt mit dem Hochwasser und Strömung die Warteposition verlassen. Auf nach Färöer!
Zweiter Teil: Schottland, Orkneys und Färöer
Die zweite Etappe führt uns von Edinburgh aus die schottische Küste entlang, bis nach Peterhead. Von dort dann der Sprung über den Pentland Firth in die Bay of Scapa und weiter nach Torshavn.
Dies ist die Arctic Cancer Challenge auf der wir euch alle auch virtuell mitnehmen wollen, mit Bildern, Geschichten und einigen Videoclips. Wann immer wir eine stabile Internetverbindung bekommen, werden wir die gesammelten Werke präsentieren – sozusagen als Vorgeschmack auf unsere Vorträge im Winter und Frühjahr.
Arctic Cancer Challenge – ein Törn der zeigt, was nach einer Krebserkrankung alles möglich sein kann, vielleicht auch genau deswegen erst möglich sein wird. Ein Törn der begeistert, inspiriert und vor allem junge Erwachsene mit Krebs motivieren soll.
Neben den vielen Eindrücken eines solchen Törns, die ja schon lange zuvor bei der Vorbereitung beginnen und dann im Ablegen und Lossegeln gipfeln, werden wir dabei auch über die Hintergründe berichten. Weil Krebs nicht dein Ende sein muss und auch nicht der Grund zu scheitern. Es wird eine Episode deines Lebens sein, die du akzeptieren und überwinden kannst, um darauf etwas Neues und Besseres aufzubauen.
Also bleibt gespannt, wie es weitergeht und vergesst bitte nicht, unsere unermüdliche Arbeit für das Thema „Jung und Krebs“ auch finanziell mit einer Spende zu unterstützen.
Ahoi und fair winds!
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Abenteuer die nachhaltig motivieren und zeigen, wie Probleme sinnvoll gelöst werden können, statt daran zu scheitern.